Gefiederte Patienten

 

Zum Beginn gleich zur Klarstellung: wir sind keine Geflügelpraxis und ehrlich gesagt, versuchen wir uns auch etwas vor den gefiederten Patienten zu drücken. Es fehlt uns in diesem Gebiet einfach das nötige Wissen und die Erfahrung. Trotzdem schauen wir uns die Patienten aber auf Wunsch der Besitzer gerne an und beraten wie es weiter gehen könnte, oder wir überweisen auch mal an Geflügelspezialisten. Das junge Huhn, welches uns am Samstagvormittag vorgestellt wurde, war nicht mehr stehfähig. Ihm fehlte die Kraft, jedoch war es vom Allgemeinzustand und dem äusserlichen Aussehen unauffällig. Wollte man es auf die Beine stellen, so grätschten diese nach vorne und hinten weg. «Marek’schen Hühnerlähmung» kam mir in den Sinn, vor vielen Jahren mal in einer Vorlesung gehört und wir griffen nach dem Fachbuch. Alter, Herkunft, Verlauf und Symptome würden perfekt passen. Die Prognose war jedoch schlecht, das Tier würde daran sterben, bzw. die Krankheit ist nicht heilbar und die Lähmung würde schlimmer werden, was mit den Prinzipien des Tierschutzes nicht vereinbar war. Eine andere Ursache war nicht ersichtlich und mit dem Einverständnis der Besitzer euthanasierten wir das Huhn und machten eine Sektion/Autopsie um die veränderten Nervenbahnen zu identifizieren. Die Nerven sahen aber, verglichen mit dem Bild im Fachbuch, unverändert, das heisst normal aus. In professionellen Geflügelbetrieben werden die Eintagsküken gegen diese Herpesvirusinfektion geimpft und die Krankheit kommt dort daher selten vor. Wie weit sie in Hobbyzuchten verbreitet ist, wusste ich aber nicht und erkundigte mich daher bei der Geflügelabteilung des Tierspitals Zürich. Ich erfuhr, dass die Marek’sche Hühnerlähmung doch recht häufig in Hobbyzuchten diagnostiziert werde und bei weitem nicht immer veränderte Nerven dargestellt werden können. Vorbeugend kann in dieser Hühnergruppe leider nichts unternommen werden. Ein Züchter hätte die Möglichkeit durch 8 wöchige Trennung der frischgeschlüpften Eintagsküken von der Herde die Infektion zu verhindern, oder eben geimpft werden.
Übrigens stand zufälligerweise an diesem Samstag «Brathähnchen», also Poulet auf unserem Menuplan. Ich versichere Ihnen aber, dass ich eins beim Metzger geholt habe.